Christian Baldauf zur "Regierungserklärung der Ministerpräsidentin „Lage zur Coronavirus-Krankheit-2019 (COVID-19) in Rheinland-Pfalz“"

Rede von Christian Baldauf MdL, Vorsitzender der CDU-Fraktion im Landtag von Rheinland-Pfalz, Redebeitrag zur 113. Plenarsitzung, Mittwoch, 11. November 2020. Unkorrigiertes Redemanuskript. Es gilt das gesprochene Wort!

Anrede,
mit voller Wucht brandet die zweite Pandemie-Welle über Europa und die Welt. 1,25 Millionen
Todesfälle im Zusammenhang mit dem Virus. Dann vorgestern – ein Lichtstrahl der Hoffnung.
Aus Mainz. Aus der Firma Biontech, die mit dem US-Unternehmen Pfizer offenbar einen hochwirksamen Impfstoff entwickelt hat. Das sind großartige, wunderbare Nachrichten. Wir dürfen
hoffen.
Aber der Kampf gegen das Virus ist noch lange nicht zu Ende. Wer erhält den Impfstoff zuerst?
Wie lange dauert es, die Bevölkerung durch zu impfen? Ich hoffe, Frau Ministerpräsidentin Dreyer, dass Ihre Ankündigungen für eine Impfstrategie tatsächlich greifen und Sie die nötige Infrastruktur bereithalten.
Ein Verteilungs-Plan sollte breit diskutiert und transparent kommuniziert werden. Denn es geht
hier um Entscheidungen, die für die Bevölkerung absolut nachvollziehbar sein müssen. Bis wirklich eine Trendwende erreicht ist, bleibt die Lage bitterernst. Die Wintermonate stehen vor der
Tür – derweil Corona-Leugner und Verharmloser aggressive Kampagnen fahren, Polizei und Presse attackieren.
Anrede,
wer meint, den Ernst der Lage herunterspielen zu müssen – handelt nicht nur zutiefst unsolidarisch. Er gefährdet das Leben anderer, vor allem von Risikogruppen. Wie verantwortungslos ist es
gegenüber anderen Menschen, wenn sich wie am Wochenende in Leipzig 20 000 Demonstranten zusammentun, dabei auf Abstand und Masken verzichten.
Anrede,
das hat nichts mehr mit „Querdenken“ zu tun. Das ist sträflicher Leichtsinn! Zweifellos wird unseren Bürgerinnen und Bürgern viel abverlangt. Aber wir machen all das, um Menschenleben zu
retten. Dafür die harten Einschränkungen. Je mehr mitmachen, je mehr sich konsequent an die
Auflagen halten, umso mehr Leben können wir retten.

Die Corona-Fallzahlen sind zu hoch. Es ist nicht auszuschließen, dass es über den Winter eng in
den Krankenhäusern werden kann. Umso mehr steht die Landesregierung in der Verantwortung,
Maßnahmen zu ergreifen, das Gesundheitssystem für die Zukunft zu wappnen. In den Gesundheitsämtern gehen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter an die Grenzen ihrer Leistungsfähigkeit. Für
diesen engagierten Einsatz sage ich Danke.
Frau Ministerpräsidentin,
wann statten Sie die Gesundheitsämter mit Landespersonal aus? Handeln Sie endlich! Ein sicheres Gesundheitssystem braucht eine zukunftsorientierte Krankenhausplanung mit einem Landeskrankenhausplan, der diesen Namen auch verdient. Seit vielen Jahren geben Sie zu wenig Geld in
die Krankenhäuser. Auch in Nicht-Corona-Zeiten eine gefährliche Unterlassungssünde!
Anrede,
wir brauchen einen Innovationsplan für den rheinland-pfälzischen Gesundheitssektor. In den
nächsten Jahren droht ein eklatanter Ärztemangel, ein Nachbesetzungsbedarf von mehr als 4000
niedergelassenen Ärzten.
Frau Ministerpräsidentin Dreyer, dieses Problem dürfen Sie nicht länger vor sich herschieben. Ich
wiederhole eindringlich die Forderung der CDU-Fraktion: Schaffen Sie pro Jahr mindestens 200
zusätzliche Medizinstudienplätze! Selbst wenn es noch so großartige Möglichkeiten der Telemedizin gibt: Ohne Menschen können Patienten nicht versorgt werden.
Anrede,
ich bin stolz darauf, dass ein Unternehmen wie Biontech als Ausgründung der Universitätsmedizin Mainz entstehen konnte. Das Ergebnis der Forschung zweier beeindruckender Menschen:
Ugur Sahin und Özlem Türeci.
Biontech ist erfolgreich trotz und nicht wegen der Forschungs- und Innovationspolitik dieser Landesregierung. Nein, das ist nicht meine Meinung, das sagt Biontech selbst. Der Aufsichtsratschef
in der Zeitschrift Capital: „.Wenn ich in der letzten Spiegelausgabe lese, dass das Land Brandenburg den Zuschlag für die Batteriefabrik von Tesla unter anderem wegen signifikanten Subventionen erhält, ähnlich der Planung bei einem Siemens Innovationsinkubator in Berlin, dann kann ich
ein solches Bemühen bisher in Rheinland-Pfalz leider nicht feststellen.“ (21.01.20)

Heißt: Sie haben diesem Leuchtturm der rheinland-pfälzischen Wirtschaft die kalte Schulter gezeigt. Das Gegenteil guter Landespolitik. Ich fordere Sie auf: Legen Sie endlich den von uns vorgeschlagenen Sonderforschungsfonds auf! Die guten Ansätze, die an unseren Universitäten und
Hochschulen wie zarte Pflanzen gezogen werden, brauchen fruchtbaren Boden – brauchen die
besten Rahmenbedingungen was Gründungs- und Innovationsförderung angeht – und keine Forschungspolitik, die auf das Prinzip Zufall baut.
Anrede,
ich habe großes Verständnis für die Sorgen der Betriebe – Gastronomie, Hotellerie, Schaustellergewerbe, Messen, Events, Kunst- und Kulturschaffende, Freiberufler, Solo-Selbstständige. Und
ich verstehe den ungeheuren Frust von Inhabern und Betreibern, die sich zum Wohle der Allgemeinheit einschränken, ihre Betriebe geschlossen, mit viel Aufwand Hygienekonzepte realisiert
haben – derweil sich auf Demonstrationen zigtausende Menschen aus der ganzen Republik ein
Stelldichein geben.
Umso dringlicher müssen wir uns überlegen, wie wir den Verantwortungsbewussten, denen, die
sich an Schutzregeln halten, helfen. Die CDU-Landtagsfraktion hat eine klare Haltung. Die Eindämmung der Folgen einer solchen Krise kann nur gelingen, wenn auch die Länder Verantwortung übernehmen.
Frau Ministerpräsidentin Dreyer, Herr Minister Wissing – Sie sind wirklich die Letzten, die hier
der Bundesregierung Ratschläge erteilen sollten. Kümmerliche 7,5 Millionen Euro Landesmittel
für Zuschüsse hatte die Ampel für die heimische Wirtschaft übrig, während unsere Nachbarn die
Bundeshilfen kraftvoll ergänzten.
Sie haben am längsten gebraucht, die Soforthilfen des Bundes auszuzahlen – das hat unser Bundesland im Frühjahr ins Heute-Journal gebracht: Als Negativbeispiel. Die Ampel war und ist ein
Standortnachteil für Rheinland-Pfalz. Deshalb:
 Schließen Sie sich endlich unserer Forderung an und zahlen Sie einen direkten Unternehmerlohn von 1180 Euro pro Monat – beispielsweise an unsere Kunst- und Kulturschaffenden.
 Es braucht schnelle und unkomplizierte Antragsverfahren, von maximal einer Seite.
 Unsere Betriebe brauchen eine Sicherung ihrer Liquidität.

Sie wurden abrupt rein in die Corona-Maßnahmen geschickt- jetzt brauchen sie eine verlässliche
Perspektive, wie sie wieder rauskommen.
Herr Minister Wissing, wo bleiben Ihre Impulse, welche Langzeitstrategie verfolgen Sie?
Anrede,
die CDU-Fraktion hat ein Stück weit Verständnis dafür, dass in den ersten Corona-Monaten nicht
alles im Krisenmanagement der Landesregierung rund lief. Aber über den Sommer hätten Sie
Strategien, Langzeitperspektiven, entwickeln müssen. Für Gesundheit, für Wirtschaft – vor allem
aber für Bildung. Wir stellen fest: Sie haben die Zeit nicht genutzt. Sie erklären sich lieber ausgiebig in Regierungserklärungen. Schön und gut. Aber warum er-klären Sie nicht das, worauf es ankommt – etwa in der Bildung:
 Wie sichern Sie künftig das Recht auf Chancengleichheit?
 Was bedeutet Corona für Unterricht, Lehrplan, Notengebung?
 Welche Inhalte sind für unsere Schülerinnen und Schüler essenziell in Notzeiten – und was
kann weg?
In der Praxis folgen auf große Erklärungen magere Ergebnisse.
Sehr geehrte Ministerpräsidentin Dreyer, sehr geehrte Frau Hubig – Schüler, Eltern, überhaupt
Bürgerinnen und Bürgern in Rheinland-Pfalz wäre schon viel geholfen, wenn Sie mit derselben
Dynamik, mit der Sie Regierungserklärungen abhalten, Politik machen würden! Schon ohne
Corona war die Personalsituation an Schulen und in Kitas extrem angespannt.
Frau Ministerin Hubig, jeder weiß, dass es im Winter kalt wird. Seit Monaten war zu befürchten,
dass sich die Situation verschärfen würde. Und natürlich ist es richtig, da stimmen wir Ihnen zu,
so viel Präsenzunterricht wie irgend möglich anzubieten. Ja, es gibt nichts Besseres, um Bildungsnachteile zu verhindern. Bildung ist ein hohes Gut. Aber, es muss jede Woche neu abgewogen
und flexibel reagiert werden.
„Wir haben Angst und fühlen uns nicht sicher.“
Das schreiben Ihnen Schüler wie Lehrer in offenen Briefen. (Rheinpfalz, 10.11)

Sie mahnen andere Unterrichtskonzepte an – weil im Schulalltag die Einhaltung der AHA-Regeln
kaum umsetzbar seien. Eltern sorgen sich um ihre Kinder, vor allem auf dem Schulweg, in vollen
Bahnen und Bussen, in Situationen, die alle Hygieneregeln auf den Kopf stellen.
Frau Ministerin Hubig,
bis heute fehlt von Ihnen ein vorsorgendes Konzept für die Wintermonate. Sie hätten längst erarbeiten müssen:
 In welcher Form,
 unter welcher Abwägung aller Belange,
 des Bildungsaspekts,
 des sozialen Aspekts,
 des Gesundheitsaspekts,
Unterricht bestmöglich erteilt werden kann.
 Sie haben es nicht geschafft, für eine gute Personalaustattung zu sorgen.
 Sie haben es nicht geschafft, den Schülerverkehr zu entzerren, etwa durch unterschiedlchen Unterrichtsbeginn für Klassen.
 Sie haben keinem Schulleiter gesagt, wie der Luftaustausch mit welchen Geräten bestmöglich erfolgen soll.
Forscher des Max-Planck-Institutes für Chemie haben einen preiswerten, hocheffizienten
Abluftfilter für Klassenzimmer entwickelt, herzustellen mit Materialien aus dem Baumarkt. Ihre Reaktion, immerhin: Man „diskutiere derzeit den Einsatz.“
 Sie haben es bisher nicht geschafft, die Finanzierung der digtalen IT-Anwenderbetreuung
in den Schulen mit den Kommunen zu regeln. Wie lange soll das noch dauern?
 Sie haben es nicht geschafft, ein funktionierendes Videosystem für hybriden Unterricht
einzuführen, bei dem mehrere Schüler gleichzeitig die Kamera einschalten können.
 Sie haben es nicht geschafft, ein funktionierendes Mail-System mit Schulleitern zu installieren. „Rektoren ohne E-Mail-Anschluss“ attestiert Ihnen die Rhein-Zeitung.
Wie peinlich – aber Hauptsache, die Landesregierung ist in Pressemeldungen auf dem Weg in die
Gigabit-Gesellschaft! Zur Reduzierung des Ansteckungsrisikos empfiehlt das Robert-Koch-Institut
kleinere Lerngruppen.

Frau Ministerin Hubig,
ein Wechsel zwischen Präsenz- und Heimunterricht bietet sich, sollten die Infektionszahlen weiter steigen, vor allem für höhere Klassenstufen an. Hier muss eine klare Ansage her – wann genau ist für Sie ein solches Szenario erreicht? Soll es landesweit oder für jede Schule einzeln gelten? Planen, sorgen Sie jetzt vor, für guten, verlässlichen Unterricht, der kein Kind zurücklässt!
Anrede,
bis wir die Pandemie im Griff haben, brauchen wir noch jede Menge Mut, Geld und Nerven. Es ist
wichtig, dass wir in Deutschland weiter gemeinsam handeln und alle an einem Strang ziehen.
Auch wenn wir noch so sehr unsere alte Normalität vermissen. Lasst uns noch eine Weile durchhalten. Dann haben wir allen Anlass, zumal nach den guten Nachrichten dieser Woche, optimistisch und zuversichtlich nach vorne zu schauen. Und vielleicht im nächsten Jahr, am 11.11.21
wieder auf den Straßen und auf Plätzen zu feiern, zu schunkeln und uns in den Arm zu nehmen.