Rede von Christian Baldauf zur „Lage zur Coronavirus-Krankheit (COVID-19) in Rheinland-Pfalz“

Redebeitrag zur Plenarsitzung zu Tagesordnungspunkt 1 der 102. Plenarsitzung, Mittwoch, 27. Mai 2020, zur Regierungserklärung der Ministerpräsidentin „Lage zur Coronavirus-Krankheit (COVID-19) in Rheinland-Pfalz“. Unkorrigiertes Redemanuskript. Es gilt das gesprochene Wort!

Anrede,
in der Corona-Krise sind wir in einer Zwischenphase: Noch nicht wirklich überm Berg – aber wir
hoffen, dass in Deutschland, in Rheinland-Pfalz ein Wendepunkt erreicht ist.
Viele Menschen haben die vergangenen Wochen als Zeit großer Unsicherheiten erlebt und freuen sich darauf, zu reisen, Familie, Freunde besuchen zu können. Auf dem Lockerungsweg liegen
noch viele Risiken. Täglich muss die Politik neu abwägen.
Anrede,
„Zukunftsperspektive Rheinland-Pfalz“, mit diesem Slogan hat Ministerpräsidentin Dreyer die
Phase der Lockerungen in Rheinland-Pfalz medial verkündet. Heißt in der Praxis:
 Immer wieder verspätete Verordnungen,
 immer wieder verspätete Veröffentlichung von Hygienekonzepten,
 immer wieder Probleme in der Ressortabstimmung,
 immer wieder Kritik von Betroffenen.
Frau Ministerpräsidentin,
das ist keine Politik der strategischen Zukunftsperspektive, das ist eine Politik auf den letzten
Drücker! Die Corona-Krise wirkt wie ein Brennglas. Sie legt Schwächen offen und lässt die Defizite
rheinland-pfälzischer Landespolitik, die es bereits vor Corona gab, noch deutlicher zu Tage treten, etwa:
 Die mangelhafte digitale Infrastruktur,
 grobe Versäumnisse in der Bildungspolitik,
 die Schließung kleiner Krankenhäuser,
 die Unterfinanzierung von Kommunen.

Die Landesregierung hat ihren Lockerungsstufenplan ohne Abstimmung mit den Verantwortlichen vor Ort, verkündet. „Tausend Fragen und keine Konzepte“ – brachte ein Oberbürgermeister
seine Kritik auf den Punkt. Ja, die Lösung der kommunalen Altschuldenfrage ist drängender denn
je. Drängender denn je ist aber auch, dass sich die Landesregierung selbst der von ihr im Wesentlichen verursachten Altschuldenproblematik unserer Städte und Gemeinden widmet. Frau MP,
zeigen Sie nicht nur nach Berlin. Kommen Sie endlich ihrer verfassungsmäßigen Pflicht nach! Das
Handeln der Landesregierung muss hier am Anfang stehen, nicht am Ende.
Rheinland-Pfalz im Mai 2020 – die Landeshilfen für die Wirtschaft:
Zu wenig, zu langsam, verzögert. Bei der Auszahlung der Bundeshilfen durch das Land haben sich
die Unternehmen allein gelassen gefühlt. Der Bund war bereit, sich entschieden gegen die Krise
zu stemmen. Das Land duckte sich weg. Es fehlt ein Zukunftskonzept für die Wirtschaft.
 Welche öffentlichen Investitionen planen Sie für nach Corona – in welcher Höhe?
 Wie wollen Sie unser Land innovativer gestalten? Wirtschaft und Klimaschutz zusammen
bringen?
 Haben Sie einen Plan für die Beschleunigung und Digitalisierung von Planungs- und Genehmigungsverfahren?
 Wie können die rheinland-pfälzischen Betriebe vom Inlandstourismus profitieren?
Herr Minister Wissing, wir hören hier wenig von Ihnen – sind Sie bereits geistig auf dem Absprung? Stehen Sie schon mit einem Bein in der Bundeshauptstadt?
Rheinland-Pfalz im Mai 2020 – Schulen am Limit
Eine Lösung, eine Zukunftsperspektive, war es eigentlich nicht, was die Landesregierung mit ihrer
schrittweisen Schulöffnung präsentierte. Sie haben ein Ziel ausgeben, Frau Ministerin Hubig –
und dann die Schulen allein gelassen! Ende April haben Sie mit Blick auf ein gemeinsames Rahmenkonzept der Kultusminister für die Wiederaufnahme des Unterrichts festgestellt:
„Wir haben unseren Auftrag jetzt erfüllt.“ Ihr Ernst? Auftrag erfüllt, alles geregelt? Meinen Sie
Schulleiter, Lehrer, Schüler, Kommunen sehen das genauso? Nein, vielmehr schlagen sie Alarm.4
 Sie halten ihren Stufenplan für nicht umsetzbar.
 Kritisieren die Informationspolitik des Bildungsministeriums.
 Warnen, dass in vielen Schulen der Infektionsschutz nicht so zu gewährleisten ist, wie es
der Hygieneplan vorschreibt.
 Lehrkräfte melden sich krank. Haben Angst um die eigene Gesundheit und die Sicherheit
ihrer Schülerinnen und Schüler.
Auftrag erfüllt, Frau Ministerin?
Die 11. Klasse des einen Gymnasiums geht seit dem 4. Mai jede Woche in die Schule und erbringt
diverse Leistungsnachweise. In dem anderen Gymnasium geht die 11. Klasse nur jede zweite Woche in die Schule. Die eine Schule lässt Grundkursarbeiten schreiben, die ins spätere Abitur einfließen – andere Schulen nicht. Gerecht?
Lehrer müssen sowohl von zuhause, per Videokonferenz, als auch in der Schule lehren. Dabei
darauf achten, dass geteilte Klassen auf einem Stand sind, wobei die einzelnen Schüler nach der
Schulschließung daheim sehr unterschiedlich gelernt haben.
Auftrag erfüllt, Frau Ministerin Hubig?
 Keine krisensichere Kommunikationsstruktur.
 Kaum Diensthandys und Dienstlaptops für Lehrerinnen und Lehrer.
 Keine abgestimmte, landesweite und juristisch (d.h. vor allem datenschutzrechtlich) einwandfreie Handreichung zur Nutzung von Meetingplattformen seitens des Ministeriums.
 Zu wenig Laptops oder Tablets, die Schülerinnen und Schüler zur Verfügung stehen. Die
angebliche Zahl von 37 000 ist lediglich eine Addition der Anschaffungen der vergangenen
Jahre, die zum Teil im internen Schuleinsatz sind und nicht für eine Ausleihe zur Verfü-
gung stehen. Haben Sie mal abgefragt, wie hoch der Bedarf tatsächlich ist?
Mir wurde berichtet, wenn zwei Kinder einer Klasse keine Hardware haben, dann kann die ganze
Klasse nicht zum E-Meeting einberufen werden. Auftrag erfüllt, Frau Ministerin Hubig?5
 Wie organisieren Sie den Schulalltag nach den Sommerferien?
 Wann werden Sie wie oft Lehrpersonal und Schüler auf Corona testen?
 Wie sorgen Sie für eine faire Bewertung der Leistungen der Schülerinnen und Schüler
– wie geht es überhaupt mit den Noten weiter?
Anrede,
ich kann nachvollziehen, dass fehlende digitale Infrastruktur den Unterricht erheblich erschwert.
Ich habe aber kein Verständnis dafür, dass dann, wenn es an der nötigen Ausstattung fehlt, kein
sinnvoller Unterricht mehr stattfindet! Und damit gerade die Schwächeren auf der Strecke bleiben.
 Wir brauchen dringend freiwillige Lernangebote für leistungsschwächere Schüler, etwa in den Sommerferien. Hier stecken Sie – wir haben es eben gehört – gerade mal im
Ankündigungsmodus – wann liefern Sie? Einen Tag vor den Ferien? Schulen brauchen
Planungssicherheit. Ich habe schon am 17. April einen entsprechenden Vorschlag gemacht! Einen Monat haben Sie gebraucht, um abzuschreiben!
 Lehrer müssen fortgebildet, systematisch geschult werden, um digitale Angebote begleiten zu können.
 Wir brauchen neue didaktisch-methodische Pläne für den Präsenz- und den digitalen
Unterricht. Deshalb sollte die Landesregierung in den Sommerferien Webinare für
Lehrer anbieten, damit diese im neuen Schuljahr für neue Unterrichtsformen gerüstet
sind.
Frau Hubig,
Sie haben in Rheinland-Pfalz das Klassenziel bisher nicht erreicht. Digitalisierung an Schulen kann
nicht nach dem Motto laufen: Du Schule, mach mal irgendwie irgendwas. Eine gescannte und
verschickte Schulbuchseite ist noch kein digitales Lernen!
Eigenverantwortung muss leistbar sein. Deshalb brauchen die Schulen Unterstützung durch ITFachleute. Vor allem aber brauchen Lehrer, Eltern und Schüler klare Vorgaben durch das Kultusministerium und das rechtzeitig vor den Sommerferien!6
Anrede,
wir müssen für unsere Schülerinnen und Schüler weiter, über die Krise hinaus denken! Sonst
raubt Schule Zukunfts- und Lebensperspektiven und Bildung wird zur neuen sozialen Frage!
Rheinland-Pfalz im Mai 2020 – Familien unter Druck.
Die vergangenen Wochen waren für viele Familien sehr belastend. Sie mussten ihren Alltag völlig
umkrempeln. Corona führt uns vor Augen, wie systemrelevant nicht nur die Leistungen so vieler
Berufsgruppen sind, sondern auch das vielfältige Engagement von Eltern, vor allem von Müttern
ist.
Frau Ministerpräsidentin Dreyer, Frau Ministerin Hubig,
Eltern und Träger warten auf ein Konzept, das es den Kindertagesstätten ermöglicht, bis spätestens Ende Juni wieder vollständig zu öffnen.
Der wichtigste Schritt dafür ist – so viel Sicherheit wie möglich zu schaffen. Und das heißt: Erzieherinnen und Erzieher, genauso wie Lehrerinnen und Lehrer auf das Corona-Virus zu testen. Immer wieder und regelmäßig. Und nicht stichprobenartig oder nur dann, wenn ein Covid-Fall aufgetreten ist.
Rheinland-Pfalz im Mai 2020 – Senioren – und Behinderteneinrichtungen weiter vor großen
Problemen
Wenn wir über Familien reden, dürfen wir unsere älteren Mitbürgerinnen und -bürger nicht aus
dem Blick verlieren. In der Hochphase der Pandemie waren die Infektionsschutzmaßnahmen
drastisch, durften Bewohner von Alten- und Pflegeheimen niemanden empfangen. So notwendig
all diese Maßnahmen im Einzelnen sind – wer Angehörige in Alten- und Pflegeheimen hat, kennt
dieses beklemmende Gefühl, zwischen Sorge, Hilflosigkeit und schlechtem Gewissen.
Und vor allem dürfen wir eines nicht ausblenden: Was, wenn ein hochbetagter Mensch in den
letzten Lebensmonaten trotz Corona Familienangehörige, Kinder, Enkel um sich haben – und sich
bewusst dafür entscheiden will? Können, dürfen wir das wirklich verbieten? Welche Folgen haben die physische Distanz, die lange Isolierung, die fehlende Zuwendung? Wir müssen uns damit
intensiver befassen. Wir dürfen keinen Aufwand scheuen, nach Lösungen zu suchen, die Kontakt
ermöglichen.7
Wichtig in diesem Zusammenhang sind auch hier flächendeckende Tests, immer wieder, von Personal und Bewohnern. Andere Bundesländer, etwa das benachbarte Saarland, sind hier viel weiter. Dort werden Pflegeheimbewohner zweimal im Abstand von einer Woche und das Pflegepersonal fortlaufend zweimal pro Woche untersucht. Frau Bätzing-Lichtenthäler – warum handeln
Sie nicht?
Rheinland-Pfalz im Mai 2020 – Verwaltungen am Limit.
Die Leiter und Mitarbeiter von Gesundheitsämtern appellieren an Sie, Frau Ministerin: Die Herausforderungen seien kaum zu noch bewältigen. Die Ämter brauchen zusätzliche Mitarbeiter –
das ist wichtig, denn es müssen viel mehr Menschen als bisher auf den Corona-Erreger getestet
werden. Nur so lassen sich Infektionsketten frühzeitig erkennen und nachvollziehen. Auch hier
zeigt sich, dass die Landesregierung bei der Digitalisierung der Verwaltung geschlafen hat.
Rheinland-Pfalz im Mai 2020 – Das sind Kulturschaffende und Vereine in Not.
Das Förderprogramm von Minister Wolf für Kulturschaffende ist voller Haken und Hürden und
schließt von vornherein bestimmte Künstlergruppen aus. Sie haben ein 6 Punkte-Programm verkündet, ohne im Vorfeld die Kulturschaffenden selbst zu hören. Sie bestrafen Vereine, die gespart haben. Das ist ungerecht. Nur dann, wenn alle Gelder vollständig verbraucht sind, sind Vereine antragsberechtigt. Dabei benötigen sie doch Rücklagen für Anschaffungen, Mieten, Gehälter.
Rheinland-Pfalz im Mai 2020 – da ist Konfusion am Beckenrand.
Nach der neuen Corona-Verordnung dürfen ab heute die Freibäder in Rheinland-Pfalz wieder
öffnen. Unter Auflagen – sagt Ministerpräsidentin Dreyer, die es sich nicht nehmen ließ, das Datum selbst zu verkünden. Nur – wie diese Auflagen konkret aussehen sollen, sagte sie erst mal
nicht. Deshalb fällt der Start in vielen Bädern buchstäblich ins Wasser. Vor noch nicht mal 24
Stunden wurden Hygieneregeln nachgeliefert – zu spät. Und darüber, wie die fehlenden Einnahmen der Bäder abgefedert werden können – darüber hüllt sich das Innenministerium in Schweigen.8
Ein Kommentar aus den Reihen der IHK dazu: „Es ist gegenüber den betroffenen Unternehmen
und Einrichtungen wenig wertschätzend, dass man sich 13 Tage Zeit für die Erarbeitung der Hygieneregeln lässt und sie erst einen Tag vor Wiedereröffnung veröffentlicht. Chance auf Planungsvorlauf wurde leider vertan.“
Anrede,
die genannten Beispiele sind nur einige von vielen. Die „Zukunftsperspektive Rheinland-Pfalz“
der Landesregierung ist kein Weg in den Neustart – bestenfalls holpriges Stückwerk – und wird
der großen Aufgabe, vor der wir stehen, nicht gerecht. In den vergangenen Wochen hat die CDULandtagsfraktion die Landespolitik konstruktiv begleitet. Um nur einige Impulse zu nennen:
 Frühzeitig haben wir Pläne für besseren Gesundheits- und Katastrophenschutz gefordert.
 Ein neues Pandemie-Vorsorgekonzept vorgeschlagen,
 einen Rettungsplan Gemeinschaft und Soziales,
 schnelle und flächendeckende Infektionstests,
 Klare, durchdachte Hygiene- und Abstandsregeln für alle gesellschaftlichen Bereiche in
unsrem Bundesland
 Einen Bonus für die Pflegekräfte, den wir schon im März forderten. Und an dieser Stelle
möchte ich mich ausdrücklich der Parteivorsitzenden und dem Generalsekretär der CDU
Deutschland anschließen: Mit uns wird es keine Absenkung des Mindestlohns geben.
Wir haben die Landesregierung aufgefordert:
 Lassen Sie die Kommunen nicht im Stich!
 Helfen Sie unseren Betrieben sofort und direkt.
Wichtig sind jetzt mittel- und vor allem langfristige Lösungen. Heute schlagen wir einen Sonderforschungsfonds zur Bekämpfung der Corona-Pandemie und die Einsetzung einer EnqueteKommission Pandemievorsorge und Pandemiebekämpfung vor.9
Der CDU-Fraktion ist es ein wichtiges Anliegen, die Erkenntnisse und Folgen der Corona-Krise
herauszuarbeiten, damit wir künftig besser gerüstet sind. Wir wollen Experten hören und Handlungsempfehlungen entwickeln und sind froh, dass wir uns gemeinsam mit den Regierungsfraktionen verständigt haben, eine solche Kommission einzusetzen – zum Wohle unserer Bürgerinnen
und Bürger im Land.
Denn einfach ins Jahr 2019 zurückkehren – das wird uns jeden Tag bewusster – geht nicht. FGEs
würde auch nicht reichen. Corona kann, Corona wird ein Katalysator für notwendige Veränderungen sein. Es gilt, die Weichen für die Zukunft jetzt zu stellen. Für gesundheitliche Sicherheit
und eine starke Wirtschaft.

Als PDF:
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